14. Finale – Rückblick – Reflexion

Mein Aufenthalt in Bangladesch beim Schweizerischen Roten Kreuz als Junior Programme Officer (JPO) in Cox's Bazar, Bangladesch ist zu Ende. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um einige meiner wichtigsten Lernerfahrungen, meinen persönlichen Entwicklungsprozess und meine Arbeit zu reflektieren:

Als ich mich für den NADEL MAS in Entwicklung und Zusammenarbeit bewarb, war ich von einer grossen Neugier, aber auch einer gewissen Skepsis der Internationalen Zusammenarbeit gegenüber, getrieben. Ich wollte daher für mich Antworten auf folgende Fragen zu finden:

  • Abfallmanagement: Wie funktioniert Abfallmanagement in einem Entwicklungskontext? Was sind die Vorteile und die wichtigsten Herausforderungen?
  • Daten und Evidenz: Wie werden Entscheidungen in Bezug auf Projekte und Programme durch Daten und evidenzbasierte Entscheidungsfindung unterstützt?
  • Akteure und Interessen: Wie werden Entscheidungen in der Internationalen Zusammenarbeit getroffen, unter Berücksichtigung der lokalen Bedürfnisse, der Anforderungen der Geldgeber*innen und der unterschiedlichen Kulturen, Erfahrungen und Interessen?
  • Nachhaltigkeit: Wie können Projekte nachhaltig konzipiert und umgesetzt werden, so dass sie über den Projektzeitraum hinaus Bestand haben?

Während meiner Zeit in Bangladesch hatte ich die Gelegenheit, die Komplexität dieser Fragen besser zu verstehen und für mich einige Antworten zu finden.

 

Abfallmanagement

Ich habe mich in der Vergangenheit mit verschiedenen Aspekten von Abfall auseinandergesetzt. Meine Bachelorarbeit schrieb ich über den politischen Entscheidungsprozess bei der Umsetzung der Altlastenverordnung in der Schweiz. Ich besuchte die stillgelegten Atomtestfelder in Semipalatinsk im Rahmen meines Hochschulpraktikums bei der Schweizer Botschaft in Kasachstan. Während eines Praktikums bei der NGO Green Cross Schweiz schrieb ich Fundraising-Anträge für Projekte, die sich mit der Verschmutzung durch Pestizide aus der Sowjetunion in Kirgisistan befassten und organisierte und leitete ein Sensibilisierungscamp für Jugendliche aus der atomar verseuchten Region Tschernobyl und Fukushima. Die Arbeit mit festen Siedlungsabfällen in einem Entwicklungskontext ist jedoch anders. Und sie ist komplex.

Während meines JPO lernte ich die Zusammenhänge der technischen Aspekte der Abfallentsorgung (Lagerung, Sammlung, Recycling, Verwertung, Entsorgung) und die soziale Bedeutung (Verständnis, Engagement und Verhaltensänderung der Gemeinde) kennen – und die Wichtigkeit, die beiden zu verknüpfen (Umweltbildung).  Und ich habe gelernt, wie wichtig es ist, ein System in ein klar definiertes Management- und Regulierungssystem einzubetten, das nicht nur Rollen und Verantwortlichkeiten festlegt, sondern auch von den beteiligten Hauptakteuren anerkannt und umgesetzt und während der gesamten Projektdauer genau überwacht wird.

 

Meine Arbeit

Meine grösste Aufgabe während des JPO Einsatzes war die Durchführung einer Business Model Analyse für das Abfallsystem in den Gemeinden rund ums Rohingya Flüchtlingslager. Ziel war es, den Status des aktuellen Abfallmanagement-Systems in Bezug auf Betrieb, Management und Finanzstruktur zu überprüfen und prioritäre Bereiche und nächste Schritte zu identifizieren. Der Auftrag kam von der DEZA. Aufgrund der Kombination einer gründlichen Dokumentenstudie mit Monitoring- und Finanzdaten, ergänzt durch Interviews, Fokus Gruppen Diskussionen und regelmässigen Follow-up-Diskussionen im Team bin ich davon überzeugt, dass diese Analyse ein solides und evidenzbasiertes Dokument ist, um die Aktivitäten zielgerichteter fortzusetzen: Das Projekt ging dann auch in nächste Phase!

Eine weitere wichtige Aufgabe war die Stärkung der Öffentlichkeitsarbeit und die Sensibilisierung für Abfallmanagement. Als ehemalige Pfadfinderin konnte ich mich sehr gut mit den freiwilligen Helfenden des Outreach-Teams identifizieren. Im Laufe der Zeit und unter der Leitung des Projektmanagers des SRK entwickelten wir gemeinsam neue Outreach-Module für die Gemeinden und Schulen und eine Zero-Waste-Strategie für letztere. Darüber hinaus übernahm ich die Führung bei der Entwicklung eines Outreach-Frameworks, und wir stellten gemeinsam einen Aktivitätenplan für das kommende Jahr auf. Nach den Rückmeldungen des SRK/BDRCS-Teams und des Outreach-Teams sowie nach meiner eigenen Beobachtung stieg die Motivation in dieser Zeit erheblich, da das Outreach-Team mehr Wertschätzung und Anerkennung für ihre Arbeit sowie gezielte Schulungen und mehr Mitgestaltungsmöglichkeiten erhielt.

Eine dritte Aufgabe war das Verfassen eines Teils des jährlichen SRK-Projektberichts (Annual Outcome Monitoring). Ich unterstützte den SRK-Senior Monitoring Officer bei der Erstellung einer Umfrage für das jährliche Monitoring, führte einen Workshop zur Validierung der Daten durch und verfasste den entsprechenden Teil des Berichts. Diese Aufgabe half mir, über den Fortschritt des Projekts, meine eigene Arbeit und meinen Beitrag zu reflektieren. Aber noch wichtiger für mich war, dass ich auf persönlicher Ebene etwas Neues gelernt habe: Die Bedeutung qualitativer Daten. Als Sozialwissenschaftlerin mit einem soliden quantitativen Hintergrund war es für mich ein "WOW-Erlebnis", wie viele Erkenntnisse gewonnen werden können, wenn quantitative und qualitative Daten zusammen verknüpft werden!

Ich habe viel über die Arbeitsweise der Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung gelernt, mit ihren klaren Werten und ihrer Arbeit, die sehr nah an der Basis durch ein umfangreiches Netzwerk von Freiwilligen stattfindet. Gleichzeitig bekam ich einen besseren Einblick in die schwierige Aufgabe, ein Gleichgewicht zwischen den Anforderungen der Geldgeber*innen, den Stärken und Schwächen des SRK und der nationalen Schwestergesellschaft BDRCS sowie den lokalen Bedürfnissen zu finden.

 

Rückkehr

Ob ich gern länger geblieben wäre? Ja! Ob ich wieder gehen würde? Ja! Gleich, sofort? Nein!

Die Rückkehr in die Schweiz war schwierig. Ich habe die volle Ladung des Rückkehrer*innen-Schock abbekommen. Mich hier wieder einleben, schwierig. Dauerte etwa gleich lang wie ich weg war. Mit den Budgetkürzungen des Bundes umzugehen und keinen Job zu finden, da der ganze Sektor der Internationalen Zusammenarbeit 2024 maximal verunsichert war, sehr uncool. Die herausfordernden Erfahrungen aus Bangladesch aufarbeiten, braucht wohl noch einige Therapiesitzungen. Aber ich bin dran, und es geht weiter!

 

Trotz allem: Ich habe meinen Einsatz und die Arbeit in Bangladesch geliebt! Und ich habe tatsächlich das Gefühl, dass ich einen kleinen Unterschied machen konnte!

 

Diese Erfahrungen mit Euch teilen zu dürfen war Teil meines Aufarbeitungsprozesses, und es hat mich gefreut, Euch auf diese Reise mitnehmen zu dürfen - herzlichen Dank!


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Kommentare

Marianne
Vor 4 Stunden

Hallo Mirjam
Ja, auch für mich war das spannend dich zu lesen. Du konntest sehr gut vermitteln, um was ein solches Projekt geht und wie du die Arbeit gepackt hast. Das war auch sehr mutig von dir, dich auf ein solches Projekt einzulassen. Sich dafür zu öffnen macht definitiv etwas mit einem / einer. Ich hoffe, du findest allmählich, wohin dich die nächsten Schritte deines Weges führen werden / wollen. Alles Gute in diesem Sinne und bis zum nächsten Mal irgendwann irgendwo! En ganz liebe Gruess Marianne