
Aktualität
- Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, António Guterres, besuchte am 14. März 2025 das Rohingya Flüchtlingslager. Er feierte mit den Menschen dort Iftar, das abendliche Fastenbrechen während des Fastenmonats Ramadan. Auch machte er die Weltöffentlichkeit auf die grosse Notlage aufgrund der sich halbierenden Essensrationen aufmerksam (vgl. Blogbeitrag 4) und rief zu Gerechtigkeit und Menschenwürde auf (Aljazeera).
- Das World Food Program (WFP) der Vereinten Nationen konnte genügend Mittel mobilisieren, um die Essensrationen ab April 2025 doch nicht halbieren zu müssen (vgl. Blogbeitrag 4). Somit erhält vorläufig weiterhin jede Person monatlich Essensgutscheine im Wert von 12 USD (The Daily Star).
- Kurz nach dem verheerenden Erdbeben in Südostasien reiste eine Delegation aus Myanmar, angeführt vom Chef der Militärjunta, nach Bangkok an den BIMSTEC Summit, einen Wirtschaftsgipfel der Anrainerstaaten des Golfs von Bengalen. Für diese Reise wurde die Militärregierung heftig kritisiert (Aljazeera). Allerdings kam während des dortigen Treffens ein Abkommen zwischen den Regierungen von Bangladesch und Myanmar zustande, wonach sich Myanmar bereit erklärte, 180'000 Rohingya Flüchtlinge zu repatriieren. Der Zeitpunkt aber bleibt offen (Aljazeera).
«security approved»
Wie früher bereits erwähnt, war das Leben in Cox’s Bazar nicht ganz ohne. Insbesondere die Sicherheitsregeln von IFRC machten mir nach einer gewissen Zeit zu schaffen. IFRC, die «Dachorganisation» aller 192 Rotkreuz- und Rothalbmond Organisationen, bestimmte die Sicherheitsregeln für alle in Cox's Bazar ansässigen Rotkreuz und Rothalbmond Organisationen. Die Regeln dienten der Sicherheit der Mitarbeitenden, aber auch der rechtlichen Absicherung der Organisation. Machte alles Sinn, war aber dennoch nicht ganz einfach.
Ähnlich wie in Cox's Bazar, gab es auch in Dhaka nur eine kleine Zone, Gulshan, das Diplomatenviertel und Viertel der reichen Leute, in der wir uns frei bewegen durften. Alles andere ging nur mit Fahrer und Zustimmung des Sicherheitsverantwortlichen («security approved» reisen).
Wollten wir weiter weg, sprich im Land herumreisen, ging das wiederum nur, wenn es zuvor von der Security abgesegnet wurde. Und auch dann nur mit dem Flugzeug, nicht mit dem Zug, und mit «security approved» Fahrern – und natürlich nur in «security approved» 4- und 5-Sterne Hotels. Das war alles ziemlich ungewohnt für mich, bin ich doch in einer freien und privilegierten Gesellschaft aufgewachsen.
Einige Konsequenzen waren: Zugreisen, eine Fahrt in einer Riksha in Old Dhaka, spontan ein Wochenende irgendwo hin, einfach mal drauflosreisen, das war alles so nicht erlaubt. Forderte Akzeptanz. Sollte es doch sein, brauchte es eine gute Planung und Vorbereitung. Und Geld. Begleitet von einer intensiven Selbstreflexion über meine Privilegien, meine Herkunft und unterschiedliche Hautfarben.
Trotz allem war mit guter Planung und Vorbereitung sehr viel möglich, so auch meine erste Reise nach Dhaka.
Gängige Fortbewegungsmittel in Dhaka: Rikshas
Neue, dem Wetter entsprechende Kleider
Ziel meiner ersten Reise nach Dhaka war neben eines Briefings über die Arbeit des SRK im Hautquartier und einem Teammeeting noch etwas anderes: Ich brauchte neue, dem Wetter entsprechende Kleidung.
So wurde ein Highlight dieses Aufenthaltes ein Stoffladen mit wunderschönen Baumwollstoffen und Seide, den mir meine Vorgesetzte zeigte. Dort suchten wir uns je zwei Stoffe aus, aus denen wir uns anschliessend bei einem Schneider vier Oberteile anfertigen liessen. Unikate. Wunderschön.
Stoffladen mit Seiden- und Baumwoll-Stoffen in Dhaka
Schals in allen Formen und Farben und Materialien
Wir besuchten auch einen «Fairtrade-Laden» mit dazugehörigem Restaurant, Jatra Biroti. Das Restaurant war ein soziales Projekt, in dem nur Menschen angestellt wurden, die einer ethnischen Minderheit angehörten. Im Laden wurden Kleider und Kunstware handgefertigt und verkauft. Eine Seltenheit, einen so schönen und authentischen Ort zu finden.
Manueller Stoffdruck
Die Stempel für den manuellen Stoffdruck
Ein Geschenk von mir an mich und mein Fahrrad zuhause
Auf der Dachterrasse von Jatra Biroti war alles wunderschön bemalt.
Schliesslich genossen wir nach einem langen Tag ein kühles Lassi und ein feines Abendessen auf der schön beleuchteten Dachterasse.
Eid ul-Adha Ferien
Mein zweiter Besuch in Dhaka war während der Eid ul-Adha Ferien Ende Juni. Die Regenzeit hatte begonnen. Der Regen wusch allen Staub von den Blättern der Bäume, von den Strassen und Gehwegen. Das Grün der Pflanzen und Büsche strahlte leuchtender denn je.
Es regnete in Strömen.
Ich traf mich das erste Mal mit meiner (online) Bangla Lehrerin persönlich für eine Banglastunde ... oder doch eher zum quatschen?
Eid ul-Adha – nicht zu verwechseln mit Eid al-Fitr, dem Fest des Fastenbrechens zum Ende des Ramadan – ist ein grosses und wichtiges muslimisches Fest und wird im ganzen islamischen Raum von Saudi Arabien bis Bangladesch gefeiert. Das Fest geht auf Abraham zurück, der bereit war, seinen Sohn für Gott zu opfern, um seine Liebe zu Gott/Allah zu bekunden. Im letzten Moment hat Allah/Gott ihn gestoppt und ihm einen Widder geschickt, den er anstelle seines Sohnes opfern konnte.
Im Angedenken daran, und um Allah für seine Barmherzigkeit zu danken, opfern die Muslime an Eid Kühe, Stiere, Schafe, Ziegen und manchmal auch Kamele. Die Tiere werden geschächtet. Ein Schnitt durch den Hals, durchgeführt vom Imam oder einem anderen Profi, und das Tier dämmert langsam weg und blutet aus.
Die Imame sind ganz schön «busy» an diesem Tag.
Ein Stier in den Strassen von Dhaka wartet auf seine Opferung.
Idealerweise wird das Tier um sein «Einverständnis» gebeten,
und erst wenn es «nickt und zustimmt» wird es geopfert.
Ein Imam nach getaner Arbeit am Pause machen.
Nebenan ein Haufen Kuhhäute.
Das Fleisch wird zerkleinert. Das Ganze läuft sehr sauber ab!
Man hat mir erzählt, dass ein Imam an Eid 100-200 Tiere schächtet, und pro Tier etwa 10 CHF erhält. Ein Drittel des Fleisches geht dann an die Familie, ein Drittel an die Verwandten und Bekannten, und ein Drittel an die Armen.
Die Kuhhäute werden nach dem Schächten verkauft und zu Leder verarbeitet.
Eine Kuh kostet, je nach Grösse, zwischen 800 und 3000 CHF. Manchmal kaufen auch mehrere Familien zusammen eine Kuh. Man bedenke, dass die Menschen hier mit 1300 CHF pro Monat bereits zu den besserverdienenden gehören. Andererseits wurde mir erzählt, dass Superreiche an Eid bis zu 100 Kühe opferten.
Wie viel das noch mit Religion zu tun hat, sei dahingestellt. Neben Tradition und Nächstenliebe spielen auch Status und «Angeberei» eine Rolle. Irgendwie ähnlich wie bei uns an Weihnachten, nicht?
Die Kuhhäute aus dem ganzen Stadtbezirk werden gesammelt,
gebündelt, aufgeladen und abtransportiert.
Für die Industrie. Kreislaufwirtschaft.
Was auch immer die Motive sind, Kühe opfern gehört in Bangladesch zur Kultur und Tradition der muslimischen Gesellschaft, also zur Mehrheit der Bevölkerung.
Wenn man bedenkt, wie viel Fleisch weltweit täglich konsumiert wird und wie viele Tiere unter viel unwürdigeren und unachtsameren Umständen geschlachtet werden, ist diese Art zumindest mit einiger Würde, einem grösseren Bewusstsein und einer grossen Dankbarkeit verbunden.
Eid Mubarak!
Nächstes Mal nehme ich Euch mit nach Sylhet, dem Teedistrikt von Bangladesch, wo wir unseren Team Retreat hatten. Ein Abstecher in die Regenzeit.
Vielen Dank fürs Lesen und Euer Interesse. Solltet Ihr Fragen oder Anregungen haben, schreibt mir bitte oder hinterlasst einen Kommentar!
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Kommentare
Sehr eindrücklich, danke liebe Mirjam!
Sehr eindrücklich
Danke Miriam fürs Teilen
Herzlich
Sepp
Danke, Mirjam - objektiv geschrieben und doch sehr persönlich zu lesen. Ich bekomme kleine Einblicke in eine mir unbekannte Kultur - und erkenne in Deinen Zeilen auch den Respekt, mit dem Du den Menschen und dieser Kultur begegnet bist.
Liebe Mirjam
Vielen Dank für deinen Reisebericht. Schön, in eine fremde Welt eintauchen zu können durch deine Erlebnisse.
Danke für dein Engagement.
Herzliche Grüße Margrit