
Ankunft in Cox's Bazar
Als ich diesen Beitrag schrieb, sass ich bei 29 Grad in meinem Zimmer in Cox’s Bazar, Bangladesch. Draussen war es laut Google Temperaturanzeige gefühlte 37 Grad. Es war ein Freitag, also Wochenende in Bangladesch. Neben mir eine Schale Mangos, die ich am Vormittag auf dem Markt gekauft hatte. Der Kilopreis: 50 Bangladeshi Taka (ca. 40 Rappen).
Ich landete am Montag, dem 8. Mai 2023, in Dhaka, der Hauptstadt von Bangladesch. Der 8. Mai ist, was für ein schöner Zufall, auch der Geburtstag von Henry Dunant, dem Begründer der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung und somit Weltrotkreuztag.
Nachdem ich mein Gepäck gefunden und mich durch die gefühlten tausend Menschen mit ihren Gepäckwagen geschlängelt hatte (nur mit Koffer war das vergleichsweise einfach), erwartete mich der Admin und Logistics Manager vom Schweizerischen Roten Kreiz (SRK) Büro in Dhaka am Ausgang des Internationalen Flughafens. Seine Aufgabe war es, mich wohlbehütet und sicher an den Domestic Airport zu bringen. Im Nachhinein denke ich, ich hätte das gut auch alleine geschafft. Dennoch war es angenehm fürs erste Mal, jemanden an meiner Seite zu haben, der sich auskennt.

Gepäckband am Flughafen in Dhaka
Zusammen mit zwei Holländerinnen von Médecins sans Frontières und eingien Bangladeschi folgte ein weiterer rund einstündiger Flug nach Cox’s Bazar. Dort angekommen wurde ich von meiner Vorgesetzten, unserem Fahrer und gefühlten 43 Grad (laut Google Temperaturanzeige) empfangen.
Die ersten drei Wochen durfte ich bei meiner Vorgesetzten im Gästezimmer wohnen. Meine zukünftige Wohnung wurde noch neu gestrichen und ich sollte am 1. Juni einziehen können (inschallah).
Es gab in Cox’s Bazar drei Wohngebäude, die vom Roten Kreuz «security approved» waren, sprich, für uns Ausläner*innen als sicher genug eingestuft wurden und wo wir wohnen durften. Die Sicherheitsstandards für Mitarbeitende internationaler Organisationen waren allgemein sehr hoch. So durften wir uns beispielsweise nur in einer gewissen Zone der Stadt frei bewegen – genauer gesagt innerhalb von 3 Quadratkilometern – und mussten spätestens um Mitternacht wieder zuhause sein. In Zone 2 durften wir nur mit einem Fahrer unterwegs sein, und in Zone 3 mit Fahrer und nur bis zum Sonnenuntergang. Zudem mussten wir uns immer beim Sicherheitsbeauftragten des Roten Kreuzes melden, wenn wir Zone 2 verliessen und wieder zurückkehrten. Ebenso brauchte es für längere Reisen innerhalb des Landes immer eine Genehmigung des Sicherheitsbeauftragten.
Cox’s Bazar ist eine mittelgrosse Stadt mit ca. 223'000 Einwohner*innen. Die Stadt ist recht überschaubar im Vergleich zu Dhaka, das mit seinen 23 Millionen Einwohner*innen hinter Tokyo, Delhi und Shanghai die viertgrösste Stadt der Welt ist. Cox's Bazar ist bei den Bangladeschi bekannt als Feriendestination und Flitterwochen Paradies und hat mit seinem 155km langen Sandstrand (anscheinend «the longest natural unbroken sea beach of the world»… was auch immer das genau heissen mag) einiges an Naturspektakeln zu bieten.

Sonnenuntergang am «längsten Strand der Welt»

Ein Kilometer südlich ist der Strand fast menschenleer.

Nur ein paar Fischerboote warten auf ihre nächste Ausfahrt...

...sowie die klassischen Boote von Cox's Bazar.
Zudem gab es farbige Gemüse- und Fischmärkte und einige schöne Kaffees, die besonders bei Ausländer*innen sehr beliebt waren. In einem 4-Sterne Hotel in der Nähe entdeckte ich sogar ein kleines Fitness-Studio. Ich bin überhaupt kein Fitness Fan, dennoch war es schön, wieder einmal 45 Minuten zu joggen (mit einer Pause aufgrund eines Stromausfalls, ein ziemlich gängiges Phänomen hier) und mal wieder selbstgewählt ins Schwitzen zu kommen. Eine Sauna gab es auch, aber das war bei diesen hohen Aussentemperaturen keine Option für mich. Wie ihr seht, lebten wir (wir = internationale Mitarbeitende internationaler Organisationen) in unserer Freizeit recht abgekapselt und hatten sehr viele Privilegien, was weder immer einfach noch immer schön und angenehm war.
Frisches Gemüse gibts auf dem Markt... wie auch Fisch, Fisch und noch mehr Fisch...
...und frische grosse und kleine Bananen
In der zweiten Wochen hatte ich meine erste Bangla Lektion, online, mit einer Lehrerin aus Dhaka. Besonders schön war es am darauffolgenden Tag zu sehen, wie sich unser Team aufrichtig darüber freute, dass ich mich für ihre Sprache interessierte. Für mich war das selbstverständlich… aber das war es anscheinend in der «Expat Community» gar nicht. Irgendwie begreiflich, waren doch viele seit mehreren Jahren unterwegs, immer mal wieder einige Monate hier, dann wieder ein, zwei Jahre dort, und immer auf dem Sprung von einem Krisenherd zum nächsten. Da vergeht einem wahrscheinlich die Lust an der eigenen Integration in die neue Kultur irgendwann. Wie auch immer, für mich gehörte die Annäherung an die Kultur durch die Sprache dazu und machte Freude.
Zyklon Mocha
Nebst den vielen schönen Entdeckungen kam es in den ersten Tagen zu einem heftigen und für mich noch unbekannten Willkommensgruss der Natur.
In meiner ersten Woche in Bangladesch braute sich ein «very heavy clyclone» im Golf von Bengalen zusammen. Ein ziemlich grosses Ding! Die Mitarbeitenden des Roten Kreuzes und des Roten Halbmonds waren in höchster Alarmbereitschaft. Wir gingen vom Schlimmsten aus. Erwartet wurden Windböen von über 200km/h.
Das Rohingya Flüchtlingslager, 40 km südlich von Cox’s Bazar, bestand vorwiegend aus Bambushütten und nicht dauerhaften Bauten («non-permanent structure»). Diese hielten maximal Windgeschwindigkeiten von 70 km/h stand.
Tausende von Menschen in der Region wurden von der Regierung mit Hilfe des Militärs evakuiert und in Cyclone Shelters und Schulen untergebracht – allerdings nur die Lokalbevölkerung, nicht die Rohingyas. Einerseits aus Platzmangel, andererseits, naja… hallo Menschenwürde!
Persönlich haben wir uns auch vorbereitet, 30 Liter Wasser gekauft, Fenster abgeklebt, Notfallrucksack gepackt, elektronische Geräte aufgeladen. Wir rechneten mit mehreren Tagen ohne Strom, kaputtem Telefonnetz, keinem Internet.

Der Golf von Bengalen mit dem sich nähernden Zyklon Mocha. Der rote Punkt markiert die Stadt Cox's Bazar und das ca. 40km südlich gelegene Rohingya Flüchtlingslager.
Zum grossen Glück schwächte sich der Zykon, kurz bevor er das Festland erreichte, massiv ab. Er änderte seinen Kurs, so dass das Flüchtlingslager praktisch keinen Schaden nahm – und wir in Cox’s Bazar abgesehen von starkem Wind und Ausgangssperre, kaum etwas mitbekamen. So hatte ich einen Tag «sturmfrei», welchen ich im Homeoffice und mit «cyclone watching» (online und offline) verbrachte.
Leider wurde die Küste von Myanmar sehr stark getroffen. Viele Menschen verloren ihr Hab und Gut und ihre Behausung, wenige auch ihr Leben.
Starke Windböen von Zyklon Mocha in Cox's Bazar
Eine Nachbarin am offenen Fenster am «cyclone watching»
Nachbarskinder am «cyclone watching»
So, in der Zwischenzeit sind alle Mangos verputzt und ich möchte hier fürs Erste zu einem Ende kommen.
Nun fragt ihr euch vielleicht, was es mit diesem Rohingya Flüchtlingslager auf sich hat? Nächste Woche erzähle ich euch mehr zu den Rohingya und nehme euch auf einen Besuch ins Flüchtlingslager mit...
Vielen Dank fürs Lesen und Euer Interesse. Solltet Ihr Fragen oder Anregungen haben, schreibt mir bitte oder hinterlasst einen Kommentar!
Dies ist eine unabhängige Blogreihe. Falls Euch der Blog gefällt und Ihr mich in diesem Kreativprozess finanziell unterstützen möchtet, würde ich mich sehr freuen:
Postfinance CH04 0900 0000 6015 1695 9 oder via TWINT,
Vermerk "Bangladesch Blog".
Kommentar hinzufügen
Kommentare
Vielen Dank Mirjam, das ist sehr interessant, freue mich schon auf den nächsten Beitrag, lg Ulrika
So nice to be able to follow your journey, and your pictures are great!
Liebe Mirjam, mich beeindrucken die Fotos, Früchte, freundliche Gesichter trotz Sturm und wohl nicht Verwöhntheit. Freue mich auf den nächsten Bericht. Liebe Grüsse Johanna Stadler