
Im Juli war die Regenzeit in vollem Gange, und unser Team-Retreat nach Sylhet im Nordosten Bangladeschs stand bevor. Sylhet ist eine der Tee-Regionen Bangladeschs und etwas weniger flach als der Rest des Landes. Dabei war das ganze Team des SRK Bangladesch, das fünfköpfige Team aus Cox’s Bazar und die sieben Teamkollegen (ja, nur Männer) aus Dhaka.

Die Höhen und Weiten Sylhets
In der stillen und abgelegenen Naturoase des Nazimghar Wilderness Resort widmeten wir uns der Strategie des SRK:
Welche Rolle soll das Schweizerische Rote Kreuz zukünftig in Bangladesch einnehmen? Das SRK ist eine der Schwester-Nationalgesellschaften des Roten Halbmonds von Bangladesch (BDRCS), eine Partnerin auf Augenhöhe. Aber wer trifft die Entscheidung, wo sich das SRK zukünftig engagieren soll? BDRCS? Oder doch die Geldgeber*innen? Und wer ist überhaupt «BDRCS»? Wie kann eine Balance zwischen «local needs» und den Stärken des SRK gefunden werden?
Bei diesem Prozess dabeisein zu dürfen war für mich ein sehr eindrücklicher und ganz direkter Einblick in die «Lokalisierungsdebatte», ihre Ziele und Herausforderungen!
Der Nazimghar Wilderness Resort, wo wir uns am Abend eine Abkühlung im Pool gönnten und in der Nacht der Regen vor den Fenstern auf die grünen Blätter trommelte.
Am folgenden Tag genossen wir einen Teamausflug – glücklicherweise bei strahlendem Sonnenschein, denn auch in der Regenzeit regnet es nicht ständig. Wir fuhren mit zwei Kleinbussen los. Es fühlte sich an wie auf einer Schulreise. Singen, spielen, diskutieren, Musik hören, als Team zusammenwachsen.
Der erste Halt war beim Ratargul Swamp Forest. Ein Swamp Forest oder Süsswasser-Sumpfwald ist ein Wald, der ganzjährlich oder saisonal überflutet ist. Während der Regenzeit kann man mit einem Boot zwischen den Bäumen umherfahren, das Grün geniessen, den Vögeln lauschen, oder dem Gesang und Geschnatter der anderen Bootsgäste.
Mit dem Boot durch den Wald ...

... und am Geniessen.
Danach ging es weiter nach Sada Pathor (Sada = weiss, Pathor = Stein), einem schönen, sauberen und kühlen Gewässer mit weissen Steinen, das von Indien her nach Bangladesch fliesst. Eine perfekte Möglichkeit für eine weitere Abkühlung.
Was heisst in Bangladesch baden? Das T-Shirt und die Leggins für Frauen sind ein kulturelles Muss. Ansonsten geht es sehr gelassen zu und her.
Während die einen Äpfel am Stiel mit Salz genossen, schwammen andere, ich inklusive, auf die andere Flussseite. Wir schwammen fast bis nach Indien. Die Grenze befindet sich wenige Meter vom Flussufer entfernt im Gebüsch (vgl. Bild). Als «Aare-Kind» war das für mich eine grosse Freude. Allerdings gebe ich zu, dass Schwimmen in einem Schlabber-T-Shirt bei weitem anstrengender war als in einem Badeanzug. Aber keine Angst, wir schafften es und kehrten gesund und munter zu den anderen zurück.
Äpfel am Stiel mit Salz im kühlen Nass.
Im Hintergrund die Grenze zwischen Bangladesch und Indien.
Regenzeit – Segen und Fluch
Lasst uns nun den Schauplatz Sylhet verlassen, und eine andere Seite des Wassers in Bangladesch beleuchten: die Regenzeit. Die Regenzeit von Mitte Juni bis Mitte September wird auch Monsunzeit genannt. Diese Zeit ist normalerweise gekennzeichnet durch viel Regen. Während es in dieser Zeit manchmal zehn Tage am Stück regnet, blieb der starke Regen 2023 aber aus. Mir wurde erzählt, die Schwankungen bezüglich Intensität des Regens hätten sich in den vergangenen Jahren stark verändert – ein typisches Merkmal des Klimawandels. Beispielhaft dafür war das Jahr 2023, in dem es eher wenig regnete, wohingegen es 2024 zu den heftigsten Überschwemmungen seit 30 Jahren kam. Die Folge waren über 70 Tote, mehr als 1.2 Millionen Familien, die in ihren Dörfern und Häusern eingeschlossen waren, als die Sturzfluten das Land überschwemmten, und 18 Millionen Menschen, die vom Monsunregen betroffen waren (Reuters, UN).
Das heisst aber nicht, dass es 2023 nicht doch auch zu Überschwemmungen kam …
Regenzeit von oben.
Das braune ist der Meghna Fluss irgendwo im Nordosten von Bangladesch, das hellere das überschwemmte Land. Der Meghna ist der dritte grosse Fluss Bangladeschs, der das Padma (Ganges) - Jamuna (Brahmaputra) -Meghna Delta bildet.
Der Monsun ist ein Segen in Bangladesch und zentral für die Fruchtbarkeit des Landes, die Landwirtschaft und somit auch eine indirekte Einnahmequelle. Wenn der Monsun zu Ende ist, blüht alles, spriesst und leuchtet in sattem Grün.
Gleichzeitig sind die Überschwemmungen aber ein Fluch. In Dhaka sah ich Siedlungen, die einen halben Meter unter Wasser standen. Dort lebten vorwiegend ärmere Menschen, die sowieso schon wenig besassen, geschweige denn eine Hausrat- oder Krankenversicherung. Da Städte wie Dhaka aufgrund der Urbanisierung und der Bevölkerungszunahme stark wachsen, wurden ganze Stadtteile teils formell, teils informell rasant erweitert. Aufgrund des Tempos und der schlechten Planung gingen manchmal fundamentale Infrastrukturen wie Kanalisationen und Entwässerungssysteme vergessen. Darunter litten, wie so oft, die vulnerabelsten Bevölkerungsgruppen am meisten.
Von Überschwemmungen im Rohingya Flüchtlingslager möchte ich gar nicht erst berichten. Auch da kam es zu heftigen Überschwemmungen und Erdrutschen. Immerhin gab es dort den internationalen Sektor, der professionell daran arbeitete, das Leid im Lager so gut wie möglich zu minimieren (vgl. Blogbeitrag 3).
Regenzeit von unten.
Das Bürogebäude des Roten Halbmonds und des Roten Kreuzes.
Die Autos vor dem Büro des Roten Halbmonds und des Roten Kreuzes.
Es kam vor, dass wir einen langen Umweg machen mussten um ins Flüchtinglsager zu gelangen, da das Wasser auf der Strasse zu hoch stand.
Nasse Füsse, aber Hauptsache die Haare bleiben trocken ...
Spass beiseite. Zu Beginn der Regenzeit watete ich auch schon durch dieses fast knietiefe Nass, wie ein glückliches Kind in einer riesigen Pfütze. Aber nur ein einziges Mal. Der Sicherheitsbeauftragte erklärte mir anschliessend freundlich, wie viele Keime sich in diesem Wasser befänden und dass ich doch bitte wieder mit dem Auto kommen solle. Machte total Sinn!
Aber dieses Privileg hatte nicht jede*r ...
Eine Folge, im Camp wie auch ausserhalb, waren die steigenden Zahlen von Dengue-Fällen. Täglich wurden Menschen hospitalisiert oder starben. Dengue war während der Regenzeit fast täglich auf den Titelseiten der landesweiten Zeitungen.
Interessant war, dass es in einigen Schulen Aufklärungskampagnen zum Dengue Fieber gab. In diesem Zusammenhang war auch Abfallmanagement ein Thema. Die Dengue Mücke brütet gern in kleinen Wasserpfützen, wie sie oft bei Müllhalden in menschlichen Siedlungen vorkommen. Ein praktisches Beispiel, weshalb Abfallmanagement so wichtig ist!
Nächstes Mal geht es zurück nach Cox's Bazar. Wir werden uns anschauen, wie eine Cleaning Campaign in den Gemeinden rund ums Rohingya Flüchtlingslager aussehen kann. Schon mal vorweg, ich habe einige Parallelen zur Pfadi und der Arbeit mit den Pios (14-17-jährige Pfadis) entdeckt ... oder habe ich einige Pfadierfahrungen doch aktiv einfliessen lassen?
Vielen Dank fürs Lesen und Euer Interesse. Solltet Ihr Fragen oder Anregungen haben, schreibt mir bitte oder hinterlasst einen Kommentar!
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Kommentare
Liebe Mirjam, schier unglaublich, was du alles - Freud und Leid - erlebt hast und so spannend darüber berichtest. Danke! Ich hoffe, diesmal erreiche dich mein Kommentar. Was ich dich letztes Mal fragen wollte: Gibt es wohl nur wenige Christen in Bangaladesch und sind sie akzeptiert von den Muslimen? Frohe Ostern!
So interessant! Der Humor und Freude gehen nicht verloren , obwohl die Menschen dort gar nicht auf Rosen gebettet sind.
Liebe Miriam
Es war wieder ein spannender Bericht. Ja der Monsun ist Segen und Fluch.
Wie ist es dir ergangen mit dem Dengue Fieber, resp. wie hast du dich geschützt? Das ist gar nicht ungefährlich.
Kann man sich dagegen Impfen?
Herzliche Grüsse
Sepp